MANIFEST Für das European Land and
Soil Alliance (ELSA) e. V.

Präambel

Böden bilden zusammen mit Luft und Wasser die zentralen Lebensgrundlagen unseres Planeten. Die Bodeneigenschaften und Bodenfunktionen sind bezüglich Standort und Beschaffenheit der Böden sehr verschieden. Durch die ständig wachsende Bebauung und Versiegelung durch Siedlungs- und Verkehrsflächen sowie durch die ständig andauernde Ausbeutung der Bodenressourcen und Übernutzung der Kulturflächen sind Böden lokal, und durch die Summe, das Ausmaß und die Verbreitung aller Beeinträchtigungen, auch weltweit in sehr hohem Maße gefährdet. Die Tragweite des Flächenverbrauchs und der Bodendegradation, sowie die Tatsache der Unwiederbringlichkeit und der sehr langsamen Regenerationsfähigkeit der Böden, sind vergleichbar mit den Folgen der globalen Klimaveränderungen und mit dem Verlust der biologischen Vielfalt. Darüber hinaus besteht ein enger Zusammenhang der Bodenveränderungen zum Klimawandel.

Es besteht weltweit ein dringender Handlungsbedarf. Alle Länder haben dazu auf staatlicher, regionaler und lokaler Ebene einen nachhaltigen Beitrag zu leisten. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Städten und Gemeinden (Kommunen) zu, die zu lokalen Flächen und ihren Nutzern einen unmittelbaren Zugang haben. Ihre Aufgabe ist die Förderung des Bodenbewusstseins, der Schutz der natürlichen Bodenfunktionen sowie die Beachtung der sozialen Gerechtigkeit. Sie verfügen über Instrumente der Raumplanung und des Bodenrechts, die konkret dazu dienen, einen nachhaltigen Umgang mit Böden in der Kommune zu fördern und umzusetzen.

Wir Kommunen sind uns dieser Zusammenhänge und gleichzeitig auch der Chancen einer nachhaltigen Bodennutzung bewusst, und wollen gemeinsam initiativ werden, um an der Lösung der Probleme zu arbeiten. Wir als Kommunen geben uns mit dem europäischen Boden-Bündnis die Möglichkeit, dies im zusammenwachsenden Europa gemeinsam umzusetzen.

1. Die Verantwortung der Städte und Gemeinden

Wir Kommunen sehen uns in der Verantwortung für eine nachhaltige Bodenpolitik in unseren Gebieten. Dies umfasst die ökologische Seite im Sinne der Förderung der natürlichen Bodenfunktionen sowie die wirtschaftlich und sozial gerechte Bodennutzung. Dazu wollen wir

  • unsere Handlungsspielräume für eine nachhaltige Entwicklung ausschöpfen,
  • unsere Vorbildfunktion als lokale Behörden wahrnehmen,
  • alle Akteure entsprechend der Agenda 21 bei der Planung und Gestaltung des kommunalen Raums und bei der Lösung der spezifischen städtischen und ländlichen Bodenprobleme einbeziehen,
  • zur Bewusstseinsbildung der Bevölkerung für einen nachhaltigen Umgang mit Böden beitragen.

Wir erkennen an, dass die Boden- und Flächenproblematik nicht nur eine lokale und regionale Bedeutung hat, sondern dass wir darüber hinaus – im Sinne einer globalen Verantwortung – durch unseren Lebensstil auch globale Auswirkungen auf Böden in anderen Teilen der Welt verursachen.

2. Ziele des Boden-Bündnisses

Übergeordnetes Ziel ist der nachhaltige Umgang mit allen Arten von Böden zur Erhaltung und Förderung aller Bodenfunktionen sowie der Bodenressourcen und des Natur- und Kulturerbes für die jetzigen und zukünftigen Generationen sowie die sozial gerechte Boden- und Landnutzung. Das European Land and Soil Alliance (ELSA) e. V. ist damit in Übereinstimmung mit den Zielsetzungen des Tutzinger Vorschlags für ein "Übereinkommen zum nachhaltigen Umgang mit Böden" (Bodenkonvention) und der "UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung".

3. Leitsätze und Maßnahmen

Unser übergeordnetes Ziel wird verwirklicht insbesondere durch folgende Leitsätze und Maßnahmen.

3.1. Wir fördern unsere Eigenständigkeit und Identität durch eine verantwortliche kommunale Bodenpolitik. Dazu

  • machen wir Chancen, aber auch Probleme im nachhhaltigen Umgang mit Böden bewusst,
  • erfassen wir den Flächenverbrauch und wiedernutzbare Brachflächen,
  • unternehmen wir alle Anstrengungen, um den Trend zum Flächenverbrauch und zur Bodendegradation umzukehren,
  • definieren wir prioritäre Ziele zur nachhaltigen Entwicklung und verfolgen aktiv eine sparsame Nutzung der Bodenressourcen,
  • unterstützen wir Bildungsmaßnahmen zu Böden und Landnutzung,
  • informieren wir die Öffentlichkeit über die genannten Zielsetzungen und die zu treffenden Maßnahmen und fördern das Bewusstsein in der Bevölkerung.

3.2. Wir fördern qualitatives Wachstum oder Stabilisierung in Verantwortung für Umwelt, Gesellschaft und Kultur. Dazu

  • begrenzen wir den Bodenverbrauch, lenken die Siedlungsentwicklung nach innen, und fördern die Qualität der Siedlungsgestaltung,
  • erfassen und sanieren wir Altlasten und führen die Flächen einer zweckmäßigen Wiederverwendung zu,
  • berücksichtigen wir bei der Bodennutzung Fragen der sozialen Gerechtigkeit und der Geschlechtergerechtigkeit,
  • unternehmen wir intensive Anstrengungen zur Erhaltung und Förderung der Bodenfruchtbarkeit und Bodenbildung, wobei der bodenschonenden Nutzung und Entsiegelung von Flächen eine besondere Bedeutung zukommt,
  • treffen wir Maßnahmen zur Bodenerhaltung, -verbesserung und -wiedergewinnung, stellen wir besonders wertvolle Böden unter Schutz, schätzen wir Böden vor Erosion und Verdichtung und reduzieren Schadstoffeinträge,
  • erhalten wir die Funktion des Bodens als Kohlenstoff- (und Stickstoff-)speicher unter Berücksichtigung der natürlichen Stoffkreisläufe,
  • treffen wir Maßnahmen zur Verbesserung des Mikroklimas und des Wasserhaushaltes und tragen damit zur Aufwertung der Lebensqualität im Siedlungsgebiet bei,
  • stellen wir die umweltschonende Nutzung von Kulturland und Landschaft sicher,
  • fördern wir die Vermarktung regional angebauter Produkte,
  • tragen wir dem Natur- und Kulturerbe Sorge,
  • fördern wir die Ökologische Vernetzung der Lebensräume.

3.3. Wir setzen auf die Innovationskraft in gemeinnütziger, partnerschaftlicher Zusammenarbeit. Dazu

  • stimmen wir boden- und raumwirksame Vorhaben auf optimale Zweckmäßigkeit und Nachhaltigkeit ab,
  • unterstützen wir die Umsetzung der Ziele des europäischen Raumentwicklungskonzeptes zur nachhaltigen Raumentwicklung und des Bodenschutzes,
  • beziehen wir die Anliegen benachbarter Gemeinden und Regionen ein,
  • verbessern wir die Stadt-Land-Beziehungen in gegenseitiger Abstimmung,
  • arbeiten wir über Grenzen hinweg partnerschaftlich zusammen.

3.4. Wir fördern mittels Instrumenten der Raumplanung und des Bodenrechts den nachhaltigen Umgang mit Böden. Dazu

  • wahren wir bei Nutzungen und Eingriffen die Eigenart und Qualität der Böden und des Ortes und werten diese auf,
  • nutzen wir die Böden durch zweckmäßige Zuweisung vielfältiger Nutzungen sowie durch differenzierte Nutzungsordnung so, dass sich Böden, Natur und Landschaft optimal entwickeln können,
  • beziehen wir die Anliegen der Bevölkerung und die Interessen der Landnutzer und Grundbesitzer ein und berücksichtigen diese bei der Umsetzung,
  • wirken wir an der Entwicklung und der Anwendung ergänzender, marktwirtschaftlicher Instrumente zur Steuerung einer nachhaltigen Bodennutzung mit.

4. Nutzen des Boden-Bündnisses

Der Nutzen des Boden-Bündnisses für die Kommunen liegt zunächst in der Bekenntnis zur Mitverantwortung der Städte und Gemeinden für einen nachhaltigen Umgang mit Böden auf lokaler Ebene. Der nachhaltige Umgang mit Böden begünstigt die Bodenfruchtbarkeit, das Mikroklima und den Wasserhaushalt, kann zu erheblichen Kosteneinsparungen führen, insbesondere bei Infrastrukturausbau und –unterhalt, spart Ressourcen für die künftige Entwicklung und künftige Generationen auf, fördert die Auslastung vorhandener Flächen und die Stabilisierung der Siedlungsdichte, belebt öffentliche Räume und trägt insgesamt zu einer Verbesserung der Lebensqualität in der Kommune und des Images für die Kommune bei. Im Boden-Bündnis profitieren die Mitgliedskommunen von den Vorteilen der Zusammenarbeit und dem Erfahrungsaustausch mit anderen Städten und Gemeinden.

5. Globale Verantwortung und Partnerschaft

Bodenprobleme sind lokalspezifisch und deshalb vorrangig vor Ort anzugehen. Gleichzeitig haben sie auch eine internationale Dimension, die sowohl die ökologische als auch die soziale, wirtschaftliche und rechtliche Seite umfasst. In vielen Ländern ist die Frage der Verfügbarkeit von Boden, der Landnutzungsrechte, und der Rechte indigener Völker auf traditionelle Territorien konfliktbehaftet. Besonders in Trocken- und Regenwaldgebieten des Südens sind gravierende Probleme durch Boden- und Landdegradation entstanden. Durch unser Wirtschaften und unseren Lebensstil tragen wir zu diesen Problemen bei, indem wir deutlich mehr Flächen in Anspruch nehmen, als wir in unseren Ländern zur Verfügung haben und nutzen. Partnerschaften mit indigenen Völkern und anderen lokalen Gemeinschaften in allen Teilen der Welt, z.B. Kommunen und Organisationen, sehen wir deshalb als eine wichtige Aufgabe des Boden-Bündnisses an. Wir wollen die Bodenproblematik in unseren Partnerschaften berücksichtigen und unsere Möglichkeiten nutzen, einen Beitrag zur Problemlösung leisten, besonders in Gebieten, die durch Boden- und Landdegradation stark betroffen sind. Grundlage für die internationale Arbeit des Boden-Bündnisses ist insbesondere die „Konvention 169“ der Internationalen Arbeitsorganisation. Mit ihr wird den indigenen und in Stämmen lebenden Völkern ein Recht auf ihr Land und ihre Ressourcen, ihre eigene Lebensweise, Kultur und Sprache zugesprochen.

6. Das Verhältnis des Boden-Bündnisses zum Klima-Bündnis

Zwischen der weltweiten Bodendegradation und der globalen Klimaveränderung besteht ein enger direkter Zusammenhang. Der Boden ist Träger aller Ressourcen und ist Speicher von Stoffen, die das Klima beeinflussen. Klimaänderungen wirken sich gravierend auf den Zustand der Böden aus. Boden-Bündnis und Klima-Bündnis sehen sich als komplementäre Initiativen unter dem übergeordneten Ziel einer nachhaltigen Entwicklung. Sie setzen gemeinsam auf das verantwortungsbewusste lokale Handeln in Städten und Gemeinden und auf den Einbezug der Nord-Süd-Dimension in kommunales Handeln.

7. Verpflichtung der Mitglieder des Boden-Bündnis

Als Mitgliedstädte und -gemeinden verpflichten wir uns dazu, in voller Ausschöpfung unserer Verantwortung und Zuständigkeit die Ziele des Boden-Bündnisses festzuschreiben und im Sinne der Leitsätze die erforderlichen Maßnahmen zu treffen und umzusetzen. Wir gehen zielstrebig daran, eine Trendwende im noch immer steigenden Flächenverbrauch und in der Bodendegradation einzuleiten und eine fortlaufende Verbesserung der Bodensituation herbeizuführen. Bei der Lösung dieser Aufgaben beziehen wir im Sinne der Agenda 21 alle Akteure ein. Wir verpflichten uns zu einem laufenden Berichtswesen, zur Festlegung geeigneter Zielgrößen und zu einer Erfolgskontrolle unserer Bodenpolitik. Darüber hinaus pflegen wir in den Ländern und länderübergreifend einen offenen Informations-und Erfahrungsaustausch mit den Mitgliedskommunen, und entwickeln gemeinsame Projekte und Standards. Wir fordern die übergeordneten politischen Ebenen auf, zur Förderung des nachhaltigen Umgangs mit Böden und der Realisierung der Ziele des Manifestes entsprechende Rahmenbedingungen zu setzen.

 

Alle Verbände, öffentlichen Einrichtungen und privatwirtschaftlichen Akteure, die diese Leitsätze, Verpflichtungen und Maßnahmen des Boden-Bündnisses unterstützen, sehen wir als unsere Verbündeten an.

 

Bozen, 24 Oktober 2000


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